Verkauf von Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen – als Zweckbetrieb?
Der Verkauf von Waren, auch von Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen, ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines steuerlich privilegierten Zweckbetriebs i.S. von § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere -fürsorgeorientierte- Hilfestellungen gegeben werden.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte sich eine Händlerin, die Waren für blinde und sehbehinderte Menschen verkauft, mit einer Konkurrentenklage gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die durch den beigeladenen Verein erbrachten Leistungen gewandt. Dieser ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen vertritt. In diesem Zusammenhang verkaufte der gemeinnützige Verein -ebenso wie die Händlerin- Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft, auf Messen und über das Internet.
Das Finanzamt und ihm folgend das Sächsische Finanzgericht1 hatten die Umsätze des gemeinnützigen Vereins gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als Leistungen einer Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebs verfolgt, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert. Zu den steuerlich begünstigten Zweckbetrieben gehören gemäß § 68 AO u.a. Einrichtungen, die zur Durchführung der Fürsorge für blinde Menschen unterhalten werden.
Der Bundesfinanzhof hat das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts aufgehoben, weil es die Konkurrentenklage der Händlerin zu Unrecht als unbegründet abgewiesen hat. Das Finanzgericht hat die Anforderungen an einen begünstigten Zweckbetrieb verkannt und deshalb die Leistungen des gemeinnützigen Vereins zu Unrecht als umsatzsteuerbegünstigt beurteilt. Der bloße Verkauf von Blindenhilfsmitteln ist nicht begünstigt, wenn er lediglich mit einer allgemein im Fachhandel üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einher-geht. Eine Blindenfürsorge i.S.v. § 68 Nr. 4 AO kann dagegen vorliegen, wenn z.B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere -fürsorgeorientierte- Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen. Ob das der Fall ist, muss das Sächsische Finanzgericht nun im zweiten Rechtsgang klären.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. November 2022 – V R 12/20
- Sächs. FG, Urteil vom 10.04.2019 – 5 K 1472/17, EFG 2021, 416↩