Vorsteuerabzug und Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten
§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG steht dem Vorsteuerabzug bei unentgeltlich erbrachten Reiseleistungen nicht entgegen.
Das Vorsteuerabzugsverbot aufgrund der Verletzung einkommensteuerrechtlicher Aufzeichnungspflichten bei Geschenken gemäß § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG in seiner bis 18.12 2006 geltenden Fassung war wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG unionsrechtswidrig1.
§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG steht dem Vorsteuerabzug bei unentgeltlich erbrachten Reiseleistungen nicht entgegen.
§ 25 UStG gilt für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 UStG). Die sonstige Leistung bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet (§ 25 Abs. 3 Satz 1 UStG). Abweichend von § 15 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten sowie die nach § 13b UStG geschuldeten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen (§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG). Unionsrechtlich beruhte dies vor Inkrafttreten der MwStSystRL auf Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG.
§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG steht dem Vorsteuerabzug bei einer unentgeltlich erbrachten Reiseleistung nicht entgegen.
Bei § 25 UStG handelt es sich um eine der „Sonderregelungen“, wie sich aus der Überschrift zum Sechsten Abschnitt des UStG ergibt. Diese Sonderregelungen ersetzen nicht die Voraussetzungen der §§ 1 ff. UStG, aus denen sich entsprechend der Überschrift zum Ersten Abschnitt des UStG der Steuergegenstand und der Geltungsbereich des Gesetzes ergeben, sondern setzen eine nach den § 1 ff. UStG im Inland steuerbare Leistung voraus. Gleiches gilt für die Systematik nach der Richtlinie 77/388/EWG. Daher ist § 25 UStG nur auf „gegen Entgelt“ i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbrachte Reiseleistungen anzuwenden. Die Sonderregelung ist somit nur auf danach steuerbare Reiseleistungen anzuwenden. Bestätigt wird dies durch die Bemessung der Reiseleistung, die sich gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 UStG unter Berücksichtigung der Aufwendungen des Leistungsempfängers der Reiseleistung bestimmt.
Entgegen der Auffassung des Finanzamt kann aus dem Einleitungssatz von § 25a Abs. 1 UStG, wonach die Differenzbesteuerung für „die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt“, nicht geschlossen werden, dass es für die anderen Vorschriften der §§ 23 ff. UStG nicht auf die Grundregelung zur Steuerbarkeit ankommt.
Ebenso ist es nach dem Unionsrecht. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Besteuerungsgrundlage die Marge des Reisebüros als zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugutekommen. Aus dem Erfordernis der Marge folgt, dass es sich sowohl auf der Eingangs- als auch auf der Ausgangsseite um gegen Entgelt erbrachte Leistungen handeln muss.
Im Übrigen geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass Reisen, die nicht gegen Entgelt und auch nicht als unentgeltliche Wertabgabe an Betriebsangehörige weitergegeben werden, sondern z.B. als Kundengeschenk im Unternehmen verwendet werden, keine Reiseleistungen nach § 25 UStG sind2.
Rechtsfehlerhaft hat im hier entschiedenen Streitfall das Niedersächsische Finanzgericht in der Vorinstanz zudem die Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Verletzung der einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten bei Geschenken angenommen3.
Dabei hat das Finanzgericht den Vorsteuerabzug für die Streitjahre bis einschließlich 31.03.1999 auf der Grundlage einer in diesem Zeitraum nicht geltenden Vorschrift versagt, wobei dies auch nicht aus anderen Gründen zutreffend ist.
Der vom Finanzgericht für die Versagung des Vorsteuerabzugs zusätzlich angeführte § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG ordnete bei seinem Inkrafttreten an, dass Vorsteuerbeträge aus „Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7, Abs. 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt“ nicht abziehbar sind. § 15 Abs. 1a UStG ist durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/20024 mit Wirkung vom 01.04.1999 in das UStG eingefügt worden. Wie der Bundesfinanzhof bereits entschieden hat, ist § 15a Abs. 1 UStG nicht mit Rückwirkung auf Besteuerungszeiträume vor seinem Inkrafttreten anzuwenden5.
Eine dem Abzugsverbot ähnliche Wirkung ergibt sich zwar aus anderen bis zum 31.03.1999 geltenden Rechtsvorschriften. Diese sind aber unionsrechtswidrig und daher nicht zu Lasten der Busunternehmerin anzuwenden.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.03.1999 geltenden Fassung lag sog. Eigenverbrauch vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigte, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 oder Abs. 7 oder § 12 Nr. 1 EStG fallen.
Nach § 4 Abs. 7 Satz 1 EStG sind Aufwendungen i.S. des Abs. 5 Nr. 1 bis 5 und 7 einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Abs. 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind (§ 4 Abs. 7 Satz 2 EStG).
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.03.1999 geltenden Fassung i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG wirkte wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs und ist als Einschränkung des Vorsteuerabzugs wegen nicht eingehaltener Formvorschriften für den Nachweis für Betriebsausgaben im Ertragsteuerrecht unionsrechtswidrig, wie der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden hat. Danach sieht Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG ein derartiges Abzugsverbot, das auch nicht als Sondermaßnahme nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen ist, nicht vor6.
Damit hat der Bundesfinanzhof auch entschieden, dass für § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.03.1999 geltenden Fassung i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG keine Grundlage in Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG besteht. Zwar waren die Mitgliedstaaten danach berechtigt, Vorsteuerausschlüsse für Aufwendungen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen, beizubehalten. Dies rechtfertigt aber nur ein Abzugsverbot bei Aufwendungen für Geschenke, nicht aber auch ein Abzugsverbot für die Verletzung einkommensteuerrechtlicher Aufzeichnungspflichten bei Geschenken.
Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Finanzamt, das eine Unionsrechtswidrigkeit in Abrede stellt, da die Besteuerung des Eigenverbrauchs aufgrund der Verletzung einkommensteuerrechtlicher Aufzeichnungspflichten für Geschenke bereits vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG Bestandteil des UStG 1973 gewesen sei, greifen nicht durch.
Zwar weist das Finanzamt zu Recht darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 176 Abs. 2 MwStSystRL (ebenso zuvor Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) bis zu einer weitergehenden unionsrechtlichen Harmonisierung alle Ausschlüsse beibehalten können, die am 1.01.1979 vorgesehen waren. Dies setzt aber voraus, dass die Ausschlüsse, die die Mitgliedstaaten beibehalten dürfen, nach der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems7, die der Richtlinie 77/388/EWG vorausging, rechtmäßig waren8. Die für die Mitgliedstaaten dabei bestehende Ermächtigung ist zudem eng auszulegen9.
Nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 67/228/EWG konnten bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können. Dies rechtfertigt die Beibehaltung eines Vorsteuerausschlusses für „Werbegeschenke“ oder „andere Zuwendungen“10. Dementsprechend hat auch der Bundesfinanzhof den Vorsteuerausschluss gemäß § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG für Aufwendungen für Segelyachten und Motoryachten als von der sog. Stillhalteklausel des Art. 176 MwStSystRL umfasst angesehen11.
Bei der gebotenen engen Auslegung ist aber zwischen dem Geschenk i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG und der Verletzung der einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflicht hierfür nach § 4 Abs. 7 EStG zu unterscheiden. Ein umsatzsteuerrechtlicher Vorsteuerausschluss ist nur im Hinblick auf die materiell-rechtlich tatsächlich für Geschenke angefallenen Aufwendungen, nicht aber auch für die Verletzung von formellen Aufzeichnungspflichten zulässig.
Bei Annahme unentgeltlich erbrachter Reiseleistungen bestand auch für den Zeitraum ab 1.04.1999 kein Abzugsverbot. Denn das Vorsteuerabzugsverbot aufgrund der Verletzung einkommensteuerrechtlicher Aufzeichnungspflichten bei Geschenken gemäß § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG in seiner Fassung vor Änderung durch Art. 7 Nr. 8 i.V.m. Art.20 Abs. 1 des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 vom 13.12 200612 mit Wirkung ab 19.12 2006 war wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG unionsrechtswidrig.
Nach § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG waren Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen für die § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG bezeichneten Geschenke nicht abziehbar. Wie der Bundesfinanzhof bereits zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.03.1999 i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG entschieden hat, ist diese Einschränkung des Vorsteuerabzugs wegen nicht eingehaltener Formvorschriften für den Nachweis für Betriebsausgaben im Ertragsteuerrecht unionsrechtswidrig13. Dies gilt ebenso für § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG. Es bestehen keine Sachgründe, die diese Regelung in unionsrechtlicher Hinsicht im Gegensatz zur früheren Rechtslage legitimieren könnten.
Bestätigt wird dies durch die Streichung der Verweisung in § 15 Abs. 1a auf § 4 Abs. 7 UStG, die sich nunmehr nur noch auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 EStG bezieht (vgl. Art. 7 Nr. 8 i.V.m. Art.20 Abs. 1 JStG 2007). Nach der amtlichen Gesetzesbegründung beruhte die Streichung der Verweisung in § 15 Abs. 1a UStG auf § 4 Abs. 7 EStG auf dem BFH, Urteil in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, wonach „die Einschränkung des Vorsteuerabzugs wegen nicht eingehaltener ertragsteuerlicher Formvorschriften für den Nachweis als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 7 EStG)“ mit Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht zu vereinbaren ist. Für den Vorsteuerabzug gelten die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG; die bisher in § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG enthaltene Einschränkung ist aufzuheben“14.
Danach ist das Urteil des Finanzgericht aufzuheben. Das Finanzgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Empfänger der Reiseleistungen keine oder nur geringe Geldbeträge aufgewendet haben, um an den Tagesausflügen teilzunehmen. Zwar haben die Beteiligten im Revisionsverfahren übereinstimmend vorgetragen, dass die Busunternehmerin für die Busfahrten von den Teilnehmern Fahrtgelder vereinnahmt habe, die das Finanzgericht in seinem Urteil zwar auch erwähnt, zu denen es aber keine näheren Feststellungen getroffen hat, so dass der Bundesfinanzhof diese Fahrtgelder nicht zum Gegenstand einer abschließenden Entscheidung machen kann. Zu klären ist dabei insbesondere, in welchen Zeiträumen und in welcher Höhe Fahrtgelder gezahlt wurden. Im Übrigen weist der Bundesfinanzhof vorsorglich auf Folgendes hin:
Sollten keine Fahrtgelder vorliegen, kommt eine Versagung des Vorsteuerabzugs nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG nicht in Betracht. Ebenso wenig scheitert der Vorsteuerabzug an einer Verletzung der einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 7 EStG oder ist im Hinblick hierauf durch die Annahme eines Eigenverbrauchs zu kompensieren. Es ist dann aber zu prüfen, ob die Ermöglichung der Teilnahme an den Busfahrten zu einem Geschenk nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG führt und das materielle Vorliegen eines Geschenks -ohne dass es auf die Aufzeichnungspflichten ankommt- zu einem Vorsteuerabzugsverbot oder einem Eigenverbrauch führt.
Liegen Fahrtgelder vor, ist zu entscheiden, ob diese entsprechend dem Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren anteilig den Busfahrten und anteilig der -u.U. unentgeltlichen- Abgabe von „Zugabeartikeln“ zugeordnet werden können. Nach dem bisherigen Sachstand spricht wenig für eine derartige Aufteilung, die möglicherweise auf der Erwägung beruhte, für die Zugabeartikel die Annahme eines Geschenks nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG zu vermeiden.
Demgegenüber dürfte davon auszugehen sein, dass die Fahrtgelder vollständig in die Margenbesteuerung für die dann entgeltlichen Reiseleistungen einzubeziehen sind. Es ist dann für die Abgabe der Zugabeartikel das Vorliegen eines Geschenks nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG mit der Folge eines Vorsteuerausschlusses oder eines Eigenverbrauches zu prüfen.
Sollte sich trotz der vollständigen Erfassung der Fahrtgelder bei den Reiseleistungen eine negative Marge ergeben, hat das Finanzgericht weiter zu prüfen, ob die Einbeziehung der vollständigen Aufwendungen für die Busfahrten in die Margenbesteuerung, die nur zu einer Vereinfachung führen soll15, gerechtfertigt ist. Es ist dann zu entscheiden, ob diese Aufwendungen nur in Höhe der Fahrtgelder in die Margenbesteuerung einzubeziehen sind, so dass weitergehende Aufwendungen aufgrund eines unmittelbaren und direkten Zusammenhangs mit der steuerpflichtigen Liefertätigkeit der Busunternehmerin zum Vorsteuerabzug berechtigten, um so ein der Regelbesteuerung dem Grunde nach entsprechendes Ergebnis zu erzielen.
Das Finanzgericht hat ebenso rechtsfehlerhaft die Steuersatzermäßigung versagt. Auch deshalb ist das Urteil des Finanzgericht aufzuheben und an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 33 der Anlage erfasst die Steuersatzermäßigung die Lieferung verschiedener Lebensmittelzubereitungen i.S. von Kap. 21 KN. Die Steuersatzermäßigung ist daher nicht anwendbar, wenn es sich bei dem gelieferten Gegenstand zolltarifrechtlich um ein Getränk handelt, da die Anlage zum UStG hierauf nicht verweist.
Zu den nicht steuersatzbegünstigten Getränken der Pos. 22 KN gehören nach der Rechtsprechung des BFH alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Maßgeblich sind objektive Kriterien, ohne dass es auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können. Ein Erzeugnis ist nur dann als nicht trinkbar anzusehen, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich wäre -aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen- das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken16. Maßgeblich ist, ob ein unmittelbarer, unverdünnter Verzehr ausgeschlossen ist17. Der BFH hat auch in seiner weiteren Rechtsprechung darauf abgestellt, ob z.B. geschmacksneutrale Produkte trinkbar sind oder ob es jedem Durchschnittsverbraucher aus geschmacklichen Gründen unmöglich wäre, diese unmittelbar zu trinken18.
Im Streitfall hat es das Finanzgericht erstinstanzlich als wahr unterstellt, dass in den Q-Ampullen 8 % Zitronensäure enthalten war. Damit stellt sich die von der Busunternehmerin bereits erstinstanzlich aufgeworfene und in der Revision zutreffend wiederholte Frage, ob das streitgegenständliche Erzeugnis trinkbar ist oder es i.S. der BFH-Rechtsprechung jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich ist -aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen- das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken.
Wie sich aus der Verordnung (EG) Nr.1989/2004 der Kommission vom 19.11.2004 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur ergibt, ist die Unterpos. 2202 10 00 KN nicht anwendbar, wenn nicht alkoholhaltige Getränke aufgrund ihres Säuregehalts bei einer „Citronensäure von 5 GHT“ (Gewichtshunderteilen) nicht unmittelbar als Getränk verwendet werden können. Die Verordnung betrifft zwar nicht die Streitjahre, kann aber gleichwohl für die Beurteilung der Verwendungsfähigkeit Berücksichtigung finden, da es sich um eine bloße Auslegungsbestimmung ohne konstitutiven Charakter handelt19. Danach können Einreihungsverordnungen der Kommission, die nicht zur Änderung des Tarifrechts, sondern zur Klarstellung der Rechtslage und zur einheitlichen Anwendung der KN ergehen, als Indiz für die zutreffende tarifliche Einreihung auch solcher gleichartiger Waren herangezogen werden, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingeführt wurden.
Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang ausdrückliche Feststellungen zur Frage zu treffen, ob das Kurpaket, wie von der Busunternehmerin bereits erstinstanzlich vorgetragen, über eine Ware mit einem Anteil an Zitronensäure von 8 % verfügte. Ist dies zu bejahen, dürfte die Trinkbarkeit i.S. der BFH-Rechtsprechung zu verneinen sein, so dass der Klage insoweit stattzugeben wäre und sich die Frage nach einer Entgeltaufteilung erübrigt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Dezember 2018 – V R 52/17
- Fortführung von BFH, Urteil vom 12.08.2004 – V R 49/02, BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090↩
- Abschn. 25.3 Abs. 5 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses↩
- Nds. Finanzgericht, Urteil vom 19.01.2017 – 5 K 303/14↩
- BGBl I 1999, 402↩
- BFH, Urteil vom 12.08.2004 – V R 49/02, BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, unter II. 2.↩
- BFH, Urteil in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, Leitsatz und unter II. 3.b↩
- ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303↩
- EuGH, Urteil Oasis East vom 30.09.2010 – C-395/09, EU:C:2010:570, Rz 21↩
- EuGH, Urteil Oasis East, EU:C:2010:570, Rz 24; ebenso PARAT Automotive Cabrio vom 23.04.2009 – C-74/08, EU:C:2009:261, Rz 23; X Holding und Oracle Nederland vom 15.04.2010 – C-538/08 und – C-33/09, EU:C:2010:192, Rz 43, und Dankowski vom 22.12 2010 – C-438/09, EU:C:2010:818, Rz 42↩
- EuGH, Urteil X Holding und Oracle Nederland, EU:C:2010:192, Rz 57↩
- BFH, Urteil vom 21.05.2014 – V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914, Leitsatz 1↩
- BGBl I 2006, 2878↩
- BFH, Urteil in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090↩
- BR-Drs. 622/06, S. 131↩
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.11.2013 – V R 11/11, BFHE 244, 111, unter II. 2.a↩
- BFH, Urteil vom 30.03.2010 – VII R 35/09, BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74, unter II. 1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH↩
- BFH, Urteil in BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74, unter II. 1.b↩
- BFH, Beschluss vom 24.09.2014 – VII R 54/11, BFHE 247, 378, BStBl II 2015, 169, unter II. 1.↩
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 12.04.2011 – VII R 20/07, BFHE 233, 561, Leitsatz 1↩